Sonntag, 11. März 2018

{Rezension} Totenweg

Eine junge Polizistin. Ein Kriminalhauptkommissar kurz vor der Pensionierung. Nichts verbindet sie - außer dem nie aufgeklärten Mord an einem jungen Mädchen. Für ihn ist es ein Cold Case, der ihn bis heute nicht loslässt. Für sie: ein Albtraum ihrer Kindheit. Denn sie fand damals die Leiche und verbirgt seither ein furchtbares Geheimnis. Achtzehn Jahre hat sie geschwiegen - bis ein weiteres Verbrechen geschieht und die Vergangenheit sie einholt …

Figuren
Mit Frida, der Hauptprotagonistin, hat Romy Fölck nicht unbedingt das Rad neu erfunden. Sie fällt in die doch recht gut gefüllte Sparte „arschcoole Polizistin, die nach oben will und meistens ihre Emotionen herunterschluckt“. Das muss aber nicht unbedingt als etwas Schlechtes gewertet werden, da solche Figuren nun einmal am besten in Krimis passen.- Immerhin müssen sie ja auch einiges aushalten. Nur hin und wieder verlässt Frida diese bereits eingefahrene Spur und wird sogar auf ihre Art und Weise ganz liebenswürdig. Immerhin hat sie auch ihr Päckchen zu tragen, das ihr immer wieder die Menschlichkeit gibt, die manchen anderen abgebrühten Polizisten und Ermittlern fehlt.
Eine weitere wichtige Rolle spielt Haverkorn. Er verhält sich zwar hin und wieder vor allem gegenüber Frida wie ein Arsch, da er der festen Überzeugung ist, sie wisse mehr über den weit zurückliegenden Tod ihrer Jugendfreundin, doch kann man seine emotionalen Ausbrüche auch teilweise verstehen, denn immerhin hat er eine schwer depressive Ehefrau zu Hause, die ihm das Leben nicht wirklich erleichtert. Zugegeben, manchmal tat er mir richtig leid.
Dass sich zwischen Frida und Haverkorn immer wieder Auseinandersetzungen aufbauschen, ist hier natürlich vorprogrammiert. Doch merken beide zum Glück auch recht schnell, dass sie ein Miteinander sehr viel weiterbringt als ein Gegeneinander.

Schreibstil
Es hat einige Kapitel gebraucht, bis ich mich mit dem Schreibstil der Autorin angefreundet hatte. Sie schreibt nun einmal ohne großes Tohuwabohu von dem, was passiert und manchmal wirkte mir die gesamte Art des Erzählens zu distanziert von den Figuren. Weder Frida, noch Haverkorn, noch andere Charaktere hatten mich bis zu einem bestimmten Punkt überhaupt wirklich interessiert, weshalb auch erst spät eine richtige Spannung entstand, beziehungsweise sie sich auch nicht wirklich konstant halten konnte. 
Nach und nach passte der Schreibstil für mich zwar zum Handlungsstrang und den Figuren, doch wäre etwas mehr Nähe zu den Gefühlswelten von Frida, Haverkorn und Co. für mich persönlich schöner gewesen. (Und damit meine ich nicht nur, wie Frida ihre Metallica-Alben hoch- und runterdudelt.)


Inhalt
Frida kommt zurück nach Deichgraben auf den Apfelhof ihrer Eltern, weil jemand ihren Vater angegriffen und niedergeschlagen hat. In ihrer ehemaligen Heimat kochen aber auch alte Gefühle wieder hoch, da hier ihre ehemals beste Freundin Marit in einer Scheune tot aufgefunden wurde, als beide noch Teenager waren. Da Haverkorn in dem Fall ihres Vater ermittelt, treffen die beiden gezwungenermaßen aufeinander und es wird schnell klar, dass sie eine mehr als komplizierte Vorgeschichte miteinander haben. Einfacher wird das Verhältnis zwischen den beiden erst recht nicht dadurch gemacht, dass Haverkorn vor allem darauf hofft, jenen besagten Fall zum Abschluss bringen zu können.
Während Frida irgendwie wieder mit dem Ort warm zu werden versucht, an dem sie aufgewachsen ist, werden immer wieder Kindheitserinnerungen von ihr durch verschiedene Orte und Begegnungen getriggert. Auf diese Weise bekam ich nach und nach auch ein Bild davon, wie die Zeit um die Ermordung ihrer Freundin aussah und wie sehr Frida dadurch geprägt wurde. Außerdem lernt man so auch wichtige kleine Details über verschiedene Personen aus Deichgraben kennen und kann selbst im Kopf ein wenig puzzlen. Diese Erinnerungsszenen wirkten auf mich jedoch irgendwie unschöner geschrieben als der Rest des Buches. Die professionelle Kühle, die die Stimmung in der Story, die in der Gegenwart spielt, gehalten hat, bricht in Fridas Erinnerungen völlig ab. Wobei es jedoch interessant war, sie auf diesem Wege auch auf einer persönlicheren Ebene kennenzulernen. Auch, wenn trotzdem nicht allzu viel über sie offenbart wird und ich mich ihr nicht unbedingt näher fühlte.

Wie bereits erwähnt brauchte ich eine gewisse Eingewöhnungsphase in „Totenweg“. Doch als die vorbei war, tüdelte sich auch nach und nach eine solide Story zusammen und ich blieb an den Seiten hängen wie es bei einem guten Buch sein soll. Es wurde nicht mehr an bereits bekannten Stereotypen herumgefimmelt, sondern es kamen auch neue Fragen auf.
Natürlich drängt sich während des Handlungsverlaufes auch der alte Fall um Marit immer wieder in den Vordergrund, denn mittlerweile scheint der Täter wieder aufgewacht zu sein. Und er verteilt nicht nur Hinweise, sondern auch Denkzettel. Dabei bleibt er jedoch über einen sehr langen Zeitraum nicht mehr als ein Geist oder Phantom. Natürlich habe ich gerätselt, wer infrage käme, doch konnte ich mich nie auf eine Person allein konzentrieren, da bis dahin schon wieder eine andere verdächtiger war. Jede einzelne Spur, die ich mir ausmalte, wurde also immer wieder sofort im Keim erstickt. Ich bin dabei wirklich fast wahnsinnig geworden. So war mir Person A zu offensichtlich, Person B zu abwegig, Person C konnte es definitiv nicht sein und wenn mir die Lösung zum Greifen nahe schien, kam Romy Fölck und brachte den ganzen Laden wieder durcheinander. Sie hatte mich teilweise wirklich so weit, dass ich einfach alles und jeden verdächtigte.
Und als wäre all das nicht bereits genug, um sich daran die Zähne auszubeißen, kämpft Frida während der Abwesenheit ihres Vaters gegen das größte Schwein, nämlich Schucht, um den Erhalt des Apfelhofes ihrer Eltern. Denn er versucht schon seit Längerem, sich in die privaten Apfelhöfe der Umgebung zu drängen. Damit hätten wir also einen weiteren Herd für eine ordentliche Schlammschlacht. (Eins muss man Romy Fölck lassen: Im Hassobjekte erschaffen ist sie wirklich verdammt gut.)
Beim Ende selbst hatte ich dann trotzdem einen Gewissen „Auf-den-Tisch-hau-und-rufen-„Ich habs doch gesagt!“ “-Moment. Es war dann doch ein Puffer, dass das Finale nicht so spektakulär war, wie ich es mir nach all dem Hickhack erhofft hatte. Immerhin gab es genug Material für die Autorin, um ein Feuerwerk aus absolutem Abfuck zu starten.
Im Großen und Ganzen werden also viele bereits erwähnte Klischees bedient: Ein verbitterter Ermittler, ein alter Fall, der niemandem jemals wirklich Ruhe gelassen hat und nun wieder aufgerollt wird und korrupte Gegenspieler. Allerdings ist das Ganze mit einer Menge Aha- und Oho-, aber auch vielen What-The-Fuck-Momenten gespickt.


ACHTUNG, möglicher Spoiler.
Was ich persönlich doch recht schade finde, da ich in entsprechender Szene verkehre: Dass die böse böse Black Metal Musik wieder einmal einen Mörder geformt haben soll. Klar, die Texte entsprechender Bands drehen sich nicht unbedingt ums Blümchenpflücken und Ringelreihetanzen... Aber dass dadurch Mordlust in jemandem aufkochen soll, ist mir etwas zu stereotypisch gedacht. Da greife ich doch eher zum Arsen, wenn mir jemand Helene Fischer auf die Ohren legt.
Das wollte ich nur noch loswerden.

„Vor wem hast du Angst?“ Sein Blick durchbohrte sie. Diesen schneidenden Unterton kannte Frida. Er kroch in sie hinein und brachte ihre Angst zum Schwingen.
Seite 106

Vielleicht nicht unbedingt eine gigantische Überraschung, aber trotz Eingewöhnungszeit ein solider, spannender Krimi.
5/7

ISBN: 978-3-7857-2622-8 


Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Leseexemplars!:)

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