Sonntag, 9. Oktober 2016

{eAf} Swantje Niemann | Inspiration

Ich muss zugeben, ein bisschen aufgeregt bin ich schon, denn heute startet mein neues Projekt "Einen Augenblick für..." auf meinem Blog und ich bin sooo gespannt darauf, wie die erste Autorin, die heute etwas für euch geschrieben hat, bei euch ankommt!
So wie es aussieht, wird dieses Format jeden zweiten Sonntag erscheinen, also freut euch auf mehr.;)

Ich habe ziemlich früh angefangen zu schreiben, was im Urlaub  hin und wieder solche oder ähnliche Situationen heraufbeschworen hat:
Ich: „Ich möchte auf diesem Sofa liegen und lesen.“
Elternteil: „Ach, komm doch mit. Da ist ein atmosphärischer Wald/ eine Burg/ ein Was-auch-immer, das dich beim Schreiben inspirieren wird.“
Ich: „So funktioniert das nicht.“
Tja, jetzt bin ich zwanzig und so ziemlich sicher vor Familienspaziergängen – und denke darüber nach, wie es nun eigentlich funktioniert. Was aus der Außenwelt findet seinen Weg in meine Bücher und warum? 
Wobei… ich glaube nicht, dass ich pauschal über „meine Bücher“ sprechen kann. Sie sind so verschieden, fühlen sich so verschieden an, dass ich besser nur von einem einzigen Buch erzähle – meinen bisher einzigen veröffentlichten Roman „Drúdir“. Und die ehrliche Antwort auf die Frage ist, dass ich in vielen Fällen unmöglich sagen kann, was mich wie inspiriert hat. Aber die Herkunft einiger Ideen kann ich nachvollziehen. 
Was ich rückblickend ziemlich spannend finde, ist, dass ich zum Teil von Dingen inspiriert wurde, die ich nicht mag oder sogar beängstigend finde. 
Klar, das Zwerge in Fantasyromanen gerne auf mürrische Bergleute, axtschwingende Trinker und/oder Comic Relief reduziert werden (und ihnen selbst in „Die Zwerge“ die Albae ziemlich die Show stehlen), hat mich dazu herausgefordert, nach meinem ganz eigenen Ansatz zu suchen.

Ich fand die Idee reizvoll, mir einige der ältesten, beinahe zu Klischees gewordenen Ideen und Gestalten der High Fantasy zu nehmen und zu versuchen, ihnen meinen ganz eigenen Stempel aufzudrücken.

Aber ebenso ist wohl die Vorbereitung auf meine Abiturprüfung in Geschichte ein stärkerer Einfluss gewesen, als mir lange klar war. „Drúdir“ beschreibt eine Welt, die ein wenig an das Europa der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erinnert. Und wenn die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts etwas ist, dann eine Zeit, die mit den großen Katastrophen unserer Geschichte assoziiert wird. Ich habe immer eine gewisse entsetzte Faszination für die Jahre vor dem ersten Weltkrieg empfunden. Dieses Gefühl der Anspannung und Vorahnung, dass sich z.B. in einigen expressionistischen Gedichten spiegelt, in denen beinahe eine Sehnsucht danach deutlich wird, dass sich die wachsende Spannung in einer erlösenden Katastrophe entladen möge. Es sind Gedichte, die man in dem Wissen, als wie schrecklich sich diese herausstellen würde, noch einmal völlig anders liest. Ich wusste: Wenn eine solche Atmosphäre – oder vielmehr meine Vorstellung davon – eine solche Wirkung auf mich hatte, könnte sich der Versuch lohnen, sie für einen Roman einzufangen.
Eine weitere eher bedrohliche Quelle der Inspiration ist Folgende: In einem leicht zu beeindruckenden Alter war ich einmal in einer seit Jahrzehnten stillgelegten Hochofenanlage.

Gigantische Maschinen, scheppernde Metallgitter-Treppen, die hoch aufragenden Türme der Hochöfen… 

die ganze rostige Anlage wirkte, als könnte sie jederzeit zum Leben erwachen und die Besucher mit gleichgültiger Präzision verschlingen. Ich könnte Bilder der Anlage googeln und würde sie nun sicher weniger beeindruckend finden – aber warum sollte ich? 
Dieses Bedrohliche paarte sich gleichzeitig mit der faszinierenden Dynamik, die technischem Fortschritt ebenso innewohnt. Ich habe ein ziemlich interessantes Buch über die frühen Jahre der industriellen Revolution gelesen, in dem es um deren Pioniere ging: Menschen, die teilweise in einer Person Ingenieur, Stadtplaner und Künstler waren und die eine Entwicklung anstießen, die ihrerseits Probleme aufwarf, aber in ihrer Dynamik und Innovationskraft einen ganzen Kontinent mitriss und transformierte. 
Auch diese Energie und Aufbruchsstimmung wollte ich einfangen - und zugleich mit Magie und Geheimnis verflechten. Dass die Magie in meiner High-Fantasy-Welt für eine lange Zeit lang nur eine sehr marginale Rolle gespielt hat, hat es mir erlaubt, genau das darzustellen, was vor allem gute Urban-Fantasy-Autoren seit E.T.A. Hoffmann so eindrucksvoll geschildert haben: Den Einbruch des Unerklärlichen in die Alltagswelt.
Aber diese Ideen und Stimmungen haben nur auf verschlungenen Wegen ihren Weg in mein Buch gefunden. Ich habe mir einige wenige sehr konkrete historische Details und generelle Tendenzen historischer Entwicklung geliehen, aber Kiarva ist keineswegs mit unserer Welt gleichzusetzen und geht seinen eigenen Weg. 
Einiges habe ich nahezu eins zu eins übernommen: So wird Besuchern von Marsh’s Library oder der Bibliothek des Trinity College (beide in Dublin) die Bibliothek im zweiten Kapitel ziemlich bekannt vorkommen. Und als mein Freund anfing, ein Kartenspiel mit sich herumzutragen und es ebenso geistesabwesend wie geschickt zu mischen, wann immer er seinen Händen eine Beschäftigung geben musste, war mir klar, dass dieser Tick perfekt zu Phandrael passte. 
Aus mir selbst geschöpft habe ich dagegen die Figuren; Drúdir, Phandrael und Kyrai waren die ersten, aber auch Findra und Svalris haben schnell einen eigenen Willen entwickelt und ihre Stimmen gefunden.

Für mich beginnt jeder Roman mit den Figuren. 

Ich denke mir diese Gestalten aus und weiß, dass ich ihre Geschichte erzählen muss. Die Handlung ergibt sich mit der Zeit und ist zum Teil mein Werkzeug, um interessante innere  Entwicklungen anzustoßen und sie in hoffentlich eindrucksvolle Bilder zu übersetzen. Gelegentlich waren haben diese Entwicklungen unvorhergesehene Richtungen genommen – sobald eine Figur wirklich zum Leben erwacht, wird sie ebenso komplex und unberechenbar wie ein realer Mensch.
Die einzige Figur, die zu schreiben mir nicht so leicht gefallen ist, ist Badyn. Trotzdem bin ich froh, auch aus ihrer Perspektive erzählt zu haben. Es war mir wichtig, darzustellen, dass auch Drúdirs Gegenspieler ihre eigene Geschichte, ihre Zweifel und ihre Gründe haben. 
Es war ein Abenteuer, „Drúdir“ zu schreiben. Welt und Figuren haben mich immer wieder überrascht. Die Anregungen für die Geschichte haben ihren Ursprung in der realen Welt, aber in vielen Fällen hätte ich nicht vorhersagen können, in was sie sich verwandeln würden.  


 


Klappentext
Ein neues Zeitalter ist angebrochen – aber die dunkle Magie der Vergangenheit kehrt zurück! Dampfkraft und die genialen Maschinen der zwergischen Erfinder haben die Welt unwiderruflich verändert. Magie gilt als Relikt einer Zeit, in der Zauberei und Religion Werkzeuge der Unterdrückung waren. Deshalb ist es dem jungen Uhrmacher Drúdir nahezu unmöglich, seine magische Begabung zu akzeptieren. Doch als sein bester Freund ermordet wird, kann er nicht tatenlos bleiben. Die Suche nach der Wahrheit führt ihn in die unterirdische Seestadt Schwarzspiegel. Dort begegnet er unerwarteten Verbündeten und entdeckt, wie fragil der innere Frieden der neugegründeten Zwergenrepublik ist. Seine Ermittlungen bringen ihn auf die Spur einer Verschwörung, die die Freiheit aller bedroht. Drúdir muss in eine Welt der Geheimnisse, Intrigen und Gewalt eintauchen, um das Unheil abzuwenden…

Über die Autorin
Swantje Niemann wurde 1996 in Berlin geboren, wo sie, unterbrochen von mehrmonatigen Aufenthalten in Bournemouth (in Südengland) und Frankfurt/Oder (wohl für immer im langen Schatten von Berlin) und bald auch Bergen (in Norwegen) immer noch wohnt. Sie studiert an der Europa-Universität Viadrina Kulturwissenschaften. Swantje Niemann liest und schreibt mit Begeisterung und bloggt auf ihrem persönlichen Buchblog „Cygnus-Reviews“ über Literatur, ist aber auch Teil des Redaktionsteams von „Literatopia“. Außerdem trainiert sie Kendo und spielt Harfe. 
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